News Dezember 2023

Arbeitsunfähig während Kündigungsfrist

Es wird immer dann problematisch, wenn ein Arbeitnehmer, nachdem er eine Kündigung ausgesprochen hat, arbeitsunfähig wird. Das Landesarbeitsgericht in Niedersachsen hat am 08.03.2023 zum Aktenzeichen 8 Sa 859/22 folgende Fall zu entscheiden: Ein Arbeitgeber wurde von einem Arbeitnehmer auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verklagt. Der Arbeitnehmer meldete sich am 02.05. krank. Er legte die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seines behandelnden Arztes, für den Zeitraum vom 02.05. bis zum 31.05.2023, vor. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung enthielten (was der Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt nicht wusste) unterschiedliche Diagnosen. Der Arbeitgeber kündigte nun das Arbeitsverhältnis, mit Schreiben vom 02.05. zum 31.05. Die Kündigung hat den Arbeitnehmer am 03.05. erreicht. Der Arbeitgeber kannte die Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts und verweigerte die Entgeltfortzahlung, da die Krankschreibung und die Kündigungsfrist identisch waren. Das Landesarbeitsgericht hat den Sachverhalt geprüft und dann darauf hingewiesen, dass hier ein gänzlich anderer Sachverhalt vorlag. Der Arbeitnehmer hat den Rechtsstreit gewonnen. Der Arbeitgeber musste Lohnfortzahlung leisten. Hintergrund war, dass im vorliegenden Fall der Arbeitnehmer sich zuerst krankgemeldet hat und dann die Arbeitgeberseite die Kündigung ausgesprochen hat. Im Zeitpunkt der Krankmeldung kannte er die Kündigung noch nicht, sodass hier ein Zusammenhang zwischen Kündigung und Krankheit zu verneinen war. Hinweis: wird einem Arbeitnehmer zuerst gekündigt und er reicht daraufhin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Zeitraum bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ein, kann u. U. der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sein. Dies sollte man immer im Auge behalten.

Wann ist eine Mahnung entbehrlich?

Ein Rechtsgrundsatz besagt folgendes: Wer seine Schulden nicht bezahlt, muss abgemahnt werden. Erst danach können rechtliche Schritte eingeleitet werden. Wie es aber mit Grundsätzen so ist, es gibt Ausnahmen. Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof im April einen Fall zur Entscheidung vorgelegt bekommen. Produktionsteile für die Montage von Fahrzeugcockpits sollten nach Mexiko verschifft werden. Dann musste allerdings mitgeteilt werden, dass die Teile wegen eines Maschinenschadens erst später versendet werden könnten. Ein vorheriges Verschiffen war nicht möglich. Daraufhin wurde eine andere Spedition beauftragt die Teile per Luftfracht zu befördern. Es entstanden Kosten in Höhe von mehreren tausend US-Dollars. Diese Summe wurde nunmehr eingefordert. Die Schifffahrtspedition wollte die Summe als Schadensersatz aber nicht bezahlen. Sie teilte mit, sie befände sich nicht in Verzug, da sie nicht angemahnt worden sei. Das sah der Bundesgerichtshof in diesem Fall aber anders. Eine Mahnung sei dann entbehrlich, wenn der Schuldner noch vor Fälligkeit erkläre, dass er nicht rechtzeitig leisten könne. In einem solchen Falle würde es eine reine Formelei darstellen, den Eintritt des Verzuges von einer Mahnung des Gläubigers abhängig zu machen. Deshalb gab das Gericht der Klage auf Schadensersatz statt. Hinweis: trotz dieses Urteils, gerade im Kaufrecht ist man gut beraten, eine Mahnung abzusenden, bevor weitere Maßnahmen ergriffen werden. In vielen Fällen ist eine Mahnung erforderlich. Erst dann gerät der Schuldner in Verzug, erst dann können Verzugskosten als Schadensersatz geltend gemacht werden.

News November 2023

Achtung beim Antrag auf Elternteilzeit

Eine Arbeitnehmerin war in einem Hotel beschäftigt. Sie beantragte nach der Geburt ihres Kindes für die ersten zwei Lebensjahre des Kindes Elternzeit. Sie schrieb: „Nach Ablauf des ersten Jahres, ab dem (Datum) möchte ich wieder, wie in der letzten Elternzeit, auf Teilzeit (24 Stunden) arbeiten. Hierzu setze ich mich mit Ihnen in Verbindung.“ Der Arbeitgeber lehnte die Elternteilzeit ab in Schriftform. Als Begründung gab er an, der Antrag sei ihm zu unbestimmt. Das Landesarbeitsgericht in München hat hier dem Arbeitgeber Recht gegeben. Der Zusatz „hierzu setze ich mich frühzeitig mit Ihnen in Verbindung“ macht den Antrag unwirksam. Die Mitarbeiterin habe zwar Elternzeit beantragt, den Antrag auf Elternteilzeit jedoch lediglich angekündigt. Deshalb: bei einem Antrag auf Elternteilzeit müssen Arbeitnehmer alles richtig machen. Hier ist es sinnvoll, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Unbekleideter Vermieter

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat im April über einen Streit zu entscheiden, anlässlich dessen die Mieterin eine Mietminderung geltend gemacht hat, da sich ihr Vermieter häufig im Hof nackt sonnt. Das Oberlandesgericht hat mitgeteilt, dass die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache, durch den sich im Hof nackt sonnenden Vermieter, nicht beeinträchtigt wird. Unbekleidetes Sonnenbaden des Vermieters ist zwar merkwürdig, jedoch nach dem Gericht kein Minderungsgrund.

Es gibt ein interessantes neues Urteil zur Höhe der vom Jobcenter zu übernehmenden Mietkosten für eine Sozialwohnung

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat im März für eine Mieterin entschieden, die zum damaligen Zeitpunkt im Leistungsbezug Harz 4 stand. Ihre Wohnung war mit drei Zimmern aus Sicht des Jobcenters zu groß und zu teuer. Die Frau hatte nach einer günstigeren Wohnung gesucht, die Suche jedoch dann aufgeben müssen. Schließlich klagte sie die Zahlung der nicht übernommenen Mieten gegen das Jobcenter ein und hat im Endeffekt gewonnen. Bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe Mietkosten von den Jobcentern zu übernehmen sind, hat ein Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen zu erfolgen. Mietpreise, die für nach dem Recht des sozialen Wohnungsbaus geförderte Wohnungen gezahlt werden, können laut Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, nicht als unangemessen angesehen werden. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Mieten im sozialen Wohnungsbau recht hoch sein können. Allerdings, hierauf sei hingewiesen, handelt es sich um eine Entscheidung aus Berlin-Brandenburg.

Warnblinkanlage am Stauende verpflichtend?

Ob ein Fahrzeugführer gem. § 1 Abs. 2 StVO in Verbindung mit § 16 StVO verpflichtet ist, an einem Stauende eine Warnblinkanlage einzuschalten und ihn deswegen bei einem Verkehrsunfall eine Mithaftung treffen kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Dies ist nicht immer, nicht bei jedem Stau und somit auch nicht bei jedem Stauende zu fordern. Eine solche Verpflichtung besteht beispielsweise dann nicht, wenn ein möglicher Rückstau nur auf der rechten Fahrspur aufgetreten ist, gute Sichtverhältnisse herrschen und wegen eines zähfließenden Verkehrs immer wieder ein Rückstau auf der rechten Fahrspur aufgetreten ist. Dies hat das Landgericht Hagen am 31.05. zum Aktenzeichen 1 O 44/22 entschieden.

News Oktober 2023

Fremder E-Scooter vor der Garage

Ein Mensch fand vor seiner Garage einen E-Roller, der die Einfahrt blockierte. Mit Hilfe einer Sackkarre beseitigte er das Fahrzeug, stellte es in seine Garage und schrieb schließlich die Vermieterfirma des E-Scooters an. Gefordert wurden 35,- € für die Herausgabe des Rollers. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus Arbeits- und Unterbringungskosten. Die Eigentümerfirma des E-Rollers erstattete Anzeige wegen versuchter Nötigung. Das Amtsgericht Düsseldorf hat letztendlich entschieden, dass es sich vorliegend tatsächlich um versuchte Nötigung handelt. Das Versetzen des Rollers hätte ausgereicht. Das Einbehalten des E-Rollers und Fordern einer Geldsumme vor der Herausgabe sei eine versuchte Nötigung.

Hinweis: Wer jemand anderen durch die Drohung zu einem bestimmten Verhalten zwingt, macht sich der Nötigung schuldig.

Krankgefeiert – fristlos gekündigt

Ein Arbeitnehmer muss während einer Krankheit nicht unbedingt zu Hause bleiben. Allerdings muss er alles unterlassen, was einer Wiederherstellung der Gesundheit zuwiderläuft. Das Arbeitsgericht Siegburg hat den Fall einer Pflegeassistentin zu entscheiden. Diese war für ein Wochenende zum Spätdienst eingeteilt. Für diese Dienste meldete sie sich krank, nahm dann aber in der Nacht von Samstag auf Sonntag an einer White-Night-Ibiza-Party teil. Die Fotos der Party verwendete sie u.a. in ihrem Whatsapp-Status. Die Arbeitgeberin hat davon erfahren und fristlos gekündigt. Das Arbeitsgericht Siegburg gab der Arbeitgeberin Recht. Die Erkrankung sei nur vorgetäuscht und damit sei das für den Bestand des Arbeitsverhältnisses notwendige Vertrauen zerstört.

Miete sollte pünktlich bezahlt werden

Egal wie uneins Sie sich mit Ihrem Vermieter sind: Klagen Sie, aber zahlen Sie ihre Miete. Wenn wegen Mietschulden eine Kündigung ausgesprochen wurde, ist der Auszug meistens unumgänglich. Zwar kann innerhalb einer Schonfrist (bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Einreichung der Räumungsklage) einmalig ein Mietrückstand ausgeglichen werden. Dies wirkt sich laut Entscheidung des Bundesgerichtshofs aber lediglich auf eine fristlose Kündigung, nicht jedoch für eine hilfsweise erklärte, ordentliche Kündigung aus.

Neues im Abgasskandal

Der Bundesgerichtshof hat, im Anschluss an die Entscheidung des europäischen Gerichtshofes, seine Rechtssprechung in diesen Fällen zum so genannten Thermofenster geändert. Demnach ist auch bei bloßer Fahrlässigkeit, beim Einbau einer Abschaltautomatik zur Abgasreinigung, eine Haftung der Hersteller möglich. Der Bundesgerichtshof hat drei Verfahren zurückverwiesen. Hier soll nunmehr die Voraussetzung einer Haftung aufgrund des Rechts der unerlaubten Handlung geprüft werden. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

Lebensalter und Sozialauswahl

Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass die Rentennähe eines Arbeitnehmers bei der Sozialauswahl, im Hinblick auf das Kriterium „Lebensalter“ bei der Verhandlung eines Sozialplanes Berücksichtigung finden darf. Sinn und Zweck der Sozialauswahl sei es, diejenigen Arbeitnehmer zu kündigen, die sozial am wenigsten schutzwürdig seien. Mit zunehmendem Alter steigt zunächst die Schutzbedürftigkeit. Diese fällt aber, je näher die Rente rückt.

Zeugnis

Das Bundesarbeitsgericht hat darüber hinaus endlich entschieden, ob eine Dankens-, Bedauerns- und gute Wünsche Formel am Schluss eines Arbeitszeugnisses Pflicht ist. Leider hat das Bundesarbeitsgericht dazu ausgeführt, dass ein Anspruch auf die Aufnahme einer solchen Formel in das Arbeitszeugnis nicht besteht. Die Meinungsäußerungsfreiheit und die grundgesetzlich geschützten arbeitgeberseitigen Rechtspositionen überwögen die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers.

Aufhebungsvertrag

Das Bundesarbeitsgericht hat Anfang 2022 entschieden, dass auch bei der Verhandlung von Aufhebungsverträgen das Gebot fairen Verhandelns gilt. Dies bedeutet, der Arbeitgeber muss, aufgrund der im Arbeitsverhältnis bestehenden Rücksichtnahmepflicht, ein Mindestmaß an Fairness bei den Verhandlungen wahren. Ob dies eingehalten worden ist, wird durch die Gerichte im Einzelfall entschieden. Dieses Gebot des fairen Verhandelns wird jedenfalls durch das Angebot eines nur sofort annehmbaren Aufhebungsvertrages nicht verletzt. Dies stellt aus Sicht des Gerichts keinen unzulässigen Druck dar. Sollte Ihnen ein Aufhebungsvertrag vorgelegt werden, setzen Sie sich mit uns in Verbindung. Wir prüfen diesen gerne für Sie!

Desinfektionskosten im Jahr 2023

Nachdem im Hinblick auf die Coronapandemie es erhebliche Lockerungen gibt, ist davon auszugehen, dass im Jahr 2023 in Werkstätten nicht mehr regelmäßig desinfiziert wird, sodass im Rahmen der Abwicklung eines Verkehrsunfalls wohl Desinfektionskosten nicht mehr erstattet werden müssen.

Nutzungsausfall für Fahrräder?

Auch bei der Beschädigung eines Fahrrades besteht die Möglichkeit Nutzungsausfall zu erhalten. Dies kann aus einer grundsätzlich getroffenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1960 abgeleitet werden. Voraussetzung ist, dass tatsächlich ein Nutzungsausfall vorliegt und nachgewiesen wird. Dies kann beispielsweise dann sein, wenn jemand sein Fahrrad zur täglichen Fahrt zur Arbeit nutzt. Darüber hinaus muss die Nutzungsfähigkeit beim Geschädigten bestehen. Dies bedeutet, Sie müssen in der Lage sein das Fahrrad zu nutzen. Dies wäre bei einem Krankenhausaufenthalt beispielsweise nicht gegeben. Bei Nutzungsausfall von Kraftfahrzeugen werden Tabellen herangezogen. Entsprechende Tabellen gibt es für Fahrräder nicht, sodass aktuell der Nutzungsausfall wohl anhand von Mietpreises geschätzt wird. Dabei gilt: je älter das Fahrrad desto geringer die Nutzungsausfallentschädigung. Hier sollten Sie einen Rechtsbeistand zur Rate ziehen, um nicht unnötig auf Geld zu verzichten.

Vorfahrtsregeln auf dem Parkplatz

Der Bundesgerichtshof hat im November 2022 entschieden, dass die Vorfahrtsregel der Straßenverkehrsordnung (rechts vor links) auch auf öffentlichen Parkplätzen ohne ausdrückliche Vorfahrtsregelung keine Anwendung findet, soweit den dort vorhandenen Fahrspuren kein eindeutiger Straßencharakter zukommt. Deshalb: im Zweifel gilt das Rücksichtnahmegebot.

Zahlreiche Parkverstöße können zum Entzug der Fahrerlaubnis führen

In dem vom VG Berlin entschiedenen Fall hat ein Kraftfahrer innerhalb eines Jahres 159 Parkverstöße und 15 Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen. Die Behörde hat dem Fahrer daher die Fahrerlaubnis, aufgrund fehlender Kraftfahreignung, entzogen. Dies wurde vom Gericht bestätigt.