Impfunfähigkeitsbescheinigung und Arbeitsrecht

Die Coronapandemie ist nahezu vorbei. Trotzdem beschäftigt sie noch die Gerichte. In Schleswig-Holstein wurde ein Arbeitnehmer fristlos entlassen, der eine aus dem Internet ausgedruckte ärztliche Bescheinigung über die vorläufige Impfunfähigkeit bei seinem Arbeitgeber eingereicht hat. Hier sind sich die Gerichte nicht einig. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat in einer Entscheidung vom 24.11.2022 die fristlose Kündigung eines langjährigen Arbeitsverhältnisses für gerechtfertigt gehalten. Eine andere Kammer desselben Gerichts hat am 07.12.2022 entschieden, dass die Vorlage der aus dem Internet heruntergeladenen, vorläufigen Impfunfähigkeitsbescheinigung kein Grund für eine fristlose Kündigung darstellt. In beiden Fällen entscheidet nunmehr das Bundesarbeitsgericht. Ich halte Sie auf dem Laufenden.

Wann geht eine E-Mail zu

Der Bundesgerichtshof hat im Oktober unter anderem darüber entscheiden müssen, wann eine E-Mail im geschäftlichen Rechtsverkehr zugeht. Der Bundesgerichtshof kam zu der Überzeugung, dass eine E-Mail, die im unternehmerischen Geschäftsverkehr innerhalb der üblichen Geschäftszeiten auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit eingeht und dem Empfänger zur Verfügung steht, dem Empfänger grundsätzlich zu diesem Zeitpunkt auch zugeht. Dass der Empfänger die E-Mail tatsächlich später abruft oder zur Kenntnis nimmt, ist für den Zugang nicht erforderlich. Dies ist beispielsweise dafür ausschlaggebend, wenn Fristen laufen. Sie sollten also dafür Sorge tragen, dass Ihre E-Mails regelmäßig abgerufen und gelesen werden.

Ware gut – Versandkosten Wucher

Sie haben alle schon einmal mit negativen Bewertungen bei Google Erfahrungen gesammelt. Der Bundesgerichtshof hat den Kommentar eines Käufers „Versandkosten Wucher“ als zulässig eingestuft. Die Zulässigkeit von Bewertungen sei an der Meinungsfreiheit und der Grundsätzen der höchst richterlichen Rechtssprechung zur Schmähkritik auszurichten. Die vorgenannte Bewertung weise einen Sachbezug auf, weil sie in einem Zusammenhang mit den Versandkosten gestellt worden sei. Es handele sich vor diesem Hintergrund um ein Werturteil, das nur dann unzulässig sei, wenn es sich um Schmähkritik handele. Das habe hier nicht vorgelegen. Zur Erklärung sei ausgeführt, dass ein Kunde über ebay vier Gelenkbolzenschellen für 19,26 € brutto gekauft hat. Davon entfielen 4,90 € auf die Versandkosten.

Anspruch von Erben auf Urlaubsabgeltung

Das Verwaltungsgericht Berlin hat in der Sache einer verstorbenen Beamtin festgestellt, dass die Erben keinen unbegrenzten Anspruch auf Abgeltung des noch offenen Erholungsurlaubes haben. Der Anspruch werde durch den vierwöchigen unionsrechtlich geleisteten Mindesturlaub begrenzt. Unabhängig davon gilt selbstverständlich zu beachten, dass die Erben, zumindest in dieser Höhe, einen Urlaubsabgeltungsanspruch haben. Dieser Anspruch ist vererblich.

Verkehrsunfall und Teilreparatur

Der Bundesgerichtshof hat zur Überraschung aller entschieden, dass, wer nach einem Unfall seinen Fahrzeugschaden auf Gutachtenbasis abrechnet, nicht für eine Teilreparatur zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit die hier aufgewandte Umsatzsteuer erstattet verlangen kann. Der BGH entschied:

„Wählt der Geschädigte den Weg der fiktiven Schadensabrechnung (auf Gutachtenbasis), kann er den Ersatz von Umsatzsteuer nicht verlangen. Dies gilt auch dann, wenn im Rahmen einer Teilreparatur tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist.“

Aus Sicht des BGH ist eine Kombination aus beiden Abrechnungsmöglichkeiten unzulässig.

Schufa

Wann besteht ein Löschanspruch ?

Auch hier gibt es regelmäßige Probleme. Kam es zu einem Schufa-Eintrag, wann muss dieser wieder gelöscht werden. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat nunmehr entschieden, dass die Schufa die Daten eines Schuldners nicht länger verarbeiten darf als diese im Insolvenzbekanntmachungsportal veröffentlicht werden dürfen. Dies bedeutet, dass man nach einem Eintrag in der Schufa die Unterlassung der Verarbeitung der Informationen zu einem Insolvenzverfahren sechs Monate nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens verlangen kann. Das Gericht hat die Revision gegen dieses Urteil zugelassen, sodass abzuwarten bleibt, wie es weitergeht.

Fitnessvertrag und Covid

In den letzten zweieinhalb Jahren waren Fitessstudios immer wieder geschlossen. Dies warf die Frage auf, ob in den entsprechenden Vertragsverhältnissen die monatlichen Mitgliedsbeiträge trotzdem weiter gezahlt werden mussten. Hierzu gab es in den vergangenen Wochen diverse Gerichtsentscheidungen. Mittlerweile hat der Bundesgerichtshof entschieden. Der Bundesgerichtshof hat am 04.05.2022 im Wesentlichen nachfolgendes festgestellt:

„Musste ein Fitnessstudio aufgrund behördlicher Maßnahmen im Rahmen der Covid 19 Pandemie schließen, so ist der Mitgliedsbeitrag für die Schließungszeit zurückzuzahlen.“

Der Vertrag ist nicht wegen einer Störung einer Geschäftsgrundlage dahingehend anzupassen, dass die vereinbarte Vertragslaufzeit um die Zeit in der das Fitnessstudio geschlossen werden musste, verlängert wird. Allerdings muss im konkreten Einzelfall geprüft werden, ob es in der Zwischenzeit zwischen dem Fitnessstudio und dem Mitglied zu einer anderweitigen Vereinbarung gekommen ist. Ist dies der Fall, sind beide Seiten an diese Lösung gebunden. Dies müsste ggf. überprüft werden.

Achtung Unterschriften-Scan ist kein Original

Immer dann, wenn das Gesetz die Schriftform vorsieht, müssen entsprechende Schriftstücke auch tatsächlich im Original unterschrieben sein. Ein Scan ersetzt dies nicht. Dies musste eine Zeitarbeitsfirma im Kreis Berlin Brandenburg erfahren. Das Landesarbeitsgericht Berlin Brandenburg hat folgendes entschieden:

Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf der Schriftform. Damit ist eine Originalunterschrift auf dem Arbeitsvertrag erforderlich. Eine eingescannte Unterschrift erfüllt dies nicht. Vor diesem Hintergrund war die Befristung unwirksam.

Hinweis: befristete Arbeitsverträge, Kündigungen oder Aufhebungsverträge müssen immer unterschrieben werden und das im Original.

Rettungsgasse in der Stadt?

Wissen Sie wie man eine Rettungsgasse bildet? Wie sieht es bei einem Notfall in der Stadt aus?

Das Landgericht Hamburg musste eben dies entscheiden und den Taschenrechner zur Hilfe nehmen. Folgender Fall: Ein Funkstreifenwagen näherte sich im Einsatz mit Blaulicht und Martinshorn, von hinten kommend, einer Kreuzung. Er überholte die dort stehenden Fahrzeuge links, unter Benutzung der Sperrfläche. Eines der Fahrzeuge fuhr ein Stück nach links auf die Sperrfläche um zwischen seinem und dem rechts von ihm befindlichen Fahrzeug eine Rettungsgasse zu bilden. Unmittelbar vor der Kreuzung kam es schließlich zur Kollision zwischen dem Funkstreifenwagen und dem Fahrzeug, welches zur Seite fuhr. Der Autofahrer war der Ansicht alles richtig gemacht zu haben. Er trage keine Schuld an dem Unfall, da er eine Rettungsgasse bilden wollte und der Streifenwagen die Rettungsgasse hätte nutzen müssen. Die Versicherung des Streifenwagens verweigerte die Zahlung mit der Begründung der Autofahrer habe erst kurz vor Ankunft des Einsatzwagens nach link gezogen. Das Landgericht hat letztendlich entschieden, dass der Autofahrer zu 60 % haftet. Hintergrund ist letztendlich, dass gem. § 11 Absatz 2 der Straßenverkehrsordnung, eine Rettungsgasse nur auf Autobahnen und Außerortsstraßen mit mindestens 2 Fahrbahnen zu bilden ist, nicht in der Stadt. Daher hätte der Autofahrer nicht nach links ausscheren dürfen. Den Fahrer des Streifenwagens trifft aber eine Mitschuld, da er für die konkrete Verkehrssituation (Befahren der Sperrfläche im Kreuzungsbereich) zu schnell unterwegs gewesen sei.

Krank zur Arbeit – Folgen?

Das Landesarbeitsgericht München musste einen Fall entscheiden, der im direkten Zusammenhang mit dem Coronavirus steht. Der Geschäftsführer einer GmbH war im August 2020 mit Erkältungssymptomen aus dem Urlaub zurückgekommen. Er ging zur Arbeit und ist insbesondere mit einer Mitarbeiterin gemeinsam in einem PKW gefahren. Eine Maske wurde nicht getragen. Kurz darauf wurde der Geschäftsführer positiv auf das Coronavirus getestet. Seine Kollegin aus dem Auto musste daraufhin in Quarantäne. Folge war, dass sie ihre für das folgende Wochenende geplante Hochzeitsfeier absagen musste. Hier entstand ein wirtschaftlicher Schaden in Höhe von 5.000,- €. Die Kollegin des Geschäftsführers verklagte ihren Arbeitgeber auf Schadensersatz. Das Landesarbeitsgericht hat letztendlich entschieden, dass der Arbeitgeber den Schaden ersetzen muss. Der Geschäftsführer hat eine Pflichtverletzung begangen indem er trotz Erkältungssymptomen zur Arbeit gegangen ist. Er hätte vorher abklären müssen, ob eine Coronainfektion vorlag. Dies hat er nicht getan. Wäre er zu Hause geblieben oder zumindest nicht mit der Mitarbeiterin gemeinsam in einem Auto gefahren, hätte diese ihre Hochzeit wie geplant feiern können. Folge ist, dass der Arbeitgeber Schadensersatz leisten muss.